Laura Bucher
Die Revision des Behindertengesetzes soll Barrieren beseitigen.
Wer sich den Alltag in einer Strafanstalt vorstellt, denkt oftmals in Klischees, die sich in der Gesellschaft hartnäckig halten. Urs Schindler, Direktor der Strafanstalt Gmünden, ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen und erzählt, was er an seiner Arbeit schätzt.
Gmünden Eine schmale Zufahrtsstrasse führt zu dem Ort, wo Menschen nach einem rechtskräftigen Urteil untergebracht werden: der Strafanstalt Gmünden in Niederteufen. Rundherum grüne Wiesen, die vertrauten Hügel des Appenzellerlands. Die Gefängnisse Gmünden setzen sich aus der Strafanstalt Gmünden und dem Kantonalen Gefängnis Appenzell Ausserrhoden zusammen. Die Strafanstalt Gmünden ist eine offene Institution, die grundsätzlich Strafen im Normal- und Spezialvollzug sowie in Form von Halbgefangenschaft und im Arbeitsexternat vollzieht. Die Strafanstalt bietet Platz für 62 Gefangene. Im kantonalen Gefängnis befinden sich rund zwölf Plätze für Personen in Untersuchungs- und Ausschaffungshaft. Der Direktor der Strafanstalt Gmünden: Urs Schindler. Ein Mann mit starkem Händedruck und einem aufmerksamen, freundlichen Gesicht. An seinem Hosenbund: ein klimpernder Schlüsselbund und ein Telefon. Ohne diese beiden Dinge bewegt er sich innerhalb des Gefängnisses keinen Meter. «Sie müssen mir folgen, ohne meine Schlüssel kommen Sie nicht weit», sagt Schindler schmunzelnd. Seit fast zwei Jahren ist er der Direktor der Strafanstalt Gmünden. Inzwischen kennt er die Gebäude gut, er musste sich aber erst einfinden. «Ich habe mich oft verlaufen.» Der gelernte Maurer hat eine lange und vielfältige berufliche Laufbahn hinter sich. Zuerst arbeitete er in einem Sonderschulheim im stationären Bereich, absolvierte ein Studium in Basel, was ihm ermöglichte, bei einer Jugendanwaltschaft in Schaffhausen zu arbeiten. «Dort hatte ich mit Jugendlichen in einem Zwangskontext zu tun. Danach zog es mich zur Staatsanwaltschaft, Abteilung Jugendanwaltschaft Frauenfeld», erzählt er. Schindler arbeitete ausserdem im Massnahmenzentrum Kalchrein, dort war er der Erziehungsleiter. Nach einigen Stationen bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde landete er schliesslich im Strafvollzug. «Nach meiner Tätigkeit bei der Kesb arbeitete ich als Leiter ad interim im Gefängnis Altstätten, bevor ich hier in Gmünden landete», sagt Schindler. In Gmünden war er zu Beginn ebenfalls ad interim gewählt, seit August 2023 ist er offiziell Direktor der Strafanstalt. Läuft er durch die Gänge, wird er von Mitarbeitenden und Insassen freundlich begrüsst. Er mag seine Arbeit, allem voran die Vielfältigkeit. «Es ist komplex, aber sehr spannend, die Menschen dort abzuholen, wo sie sich aktuell befinden. Sie stehen oft am Rande der Gesellschaft und sind mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt geraten», sagt Schindler. An Vielfältigkeit mangelt es ihm keinesfalls.
Als Gesamtleiter der Strafanstalt Gmünden und des kantonalen Gefängnisses ist er zuständig für sämtliche Abteilungen, 38 Mitarbeitende sowie die Insassinnen und Insassen. Er ist nebst der Führung des Personals auch zuständig, Weiterbildungen zu ermöglichen. Mit dem Departement Inneres und Sicherheit, dem Regierungsrätin Katrin Alder vorsteht, herrscht ein regelmässiger Austausch. Auch muss er dafür sorgen, dass er den Leistungsauftrag gegenüber dem Kanton im Rahmen des Globalkredits erfüllt. Schindler ist ebenfalls in der Zuständigkeit, wenn es um die Öffentlichkeitsarbeit geht. «Das ist uns wichtig, um der Bevölkerung einen Einblick zu geben, damit Vorurteile abgebaut werden. Unter anderem werden deshalb Führungen durch das Gefängnis angeboten», sagt der Direktor. Dort dürften die Gäste sehen, dass Schindler und die Mitarbeitenden alles tun, damit die Hausregeln eingehalten werden, aber auch, dass auf Einzelne so gut es geht, individuell eingegangen wird. Das Menschliche ist dem Direktor ohnehin das Wichtigste. Während die Insassen des geschlossenen Vollzugs freitags ganz anders ins Wochenende starten, kann er aus der Türe hinaus, heim zur Familie. «Wenn ich durch die Gänge gehe und allen ein schönes Wochenende wünsche, weiss ich, dass ich etwas trinken und essen gehen kann, während sie sich damit arrangieren müssen, das Gebäude nicht verlassen zu können», sagt Schindler. Die freie Entscheidung, wie die Freizeit gestaltet wird, ist erst wieder möglich, wenn die Haftstrafe endet. In Gmünden sind die meisten nicht länger als ein Jahr inhaftiert. «Dennoch ist es nicht immer einfach, einen fremdbestimmten Alltag zu haben», meint Schindler. Der Justizvollzugsexperte und Sozialpädagoge will stets nahbar sein. «Hier geht es – im Gegensatz zu grossen Gefängnissen – 'familiärer' zu. Mir ist wichtig, mit den Menschen zu sprechen, statt ein Direktor im Glasturm zu sein. Auch bei Konflikten bin ich stets zur Stelle», sagt Schindler. Er sei ohnehin ein Menschenfreund. «Meiner Meinung nach hat jeder Mensch mehrere Chancen verdient. Nicht jeder hatte eine glückliche Ausgangslage. Das darf man nie vergessen», sagt er. Seit es Menschen gibt, würden Verbrechen existieren. «Das wird auch immer so sein, daher brauchen wir einen gesunden Umgang mit dem Strafvollzug mit all seinen Regeln, Massnahmen und Gesetzen, aber nie ohne Menschlichkeit.»
Stefanie Rohner
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