Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Urs Helg ist seit dem Jahr 2000 beim kriminaltechnischen Dienst. sro
Die Kriminalpolizei Appenzell Ausserrhoden hat diverse Abteilungen, die gemeinsam zu einer sauberen Aufklärung der Fälle beitragen. Im vierten Teil der Serie stellen die Herisauer Nachrichten den Kriminaltechnischen Dienst und deren Dienstleiter Urs Helg vor.
Zeughaus «Ich kann mir schon vorstellen, dass es das perfekte Verbrechen gibt. Ich könnte es aber sicher nicht begehen. Das wäre eine Knacknuss, wenn ich ein Verbrecher wäre», sagt Urs Helg, Dienstchef des kriminaltechnischen Dienstes. Er sagt das mit amüsiertem Gesichtsausdruck. Der Humor, die Gelassenheit und eine sehr positive Art sind ihm anzumerken. Aber auch die Ernsthaftigkeit, die es für seinen Job braucht. Urs Helg ist seit vielen Jahren bei der Polizei – das war bereits sein grosser Traum als kleiner Junge. «Ein Bubentraum, den ich mir erfüllen konnte», meint er. Um Polizist zu werden, braucht es eine Erstausbildung. Da wusste Helg nicht so recht, was er machen wollte. «Ich absolvierte die Ausbildung zum Automechaniker, habe aber nie auch nur einen Tag auf dem Beruf gearbeitet», sagt er. Danach folgte das Militär, welches damals noch Pflicht war, wenn man in den Polizeidienst wollte. Als er sich auf ein Inserat bei der Ausserrhoder Polizei beworben hatte, staunte er, dass er eingeladen wurde. Denn mit seinem Geburtstag im Dezember hatte er das Mindestalter von 21 noch nicht erreicht. «Noch mehr habe ich gestaunt, dass ich eingestellt wurde», sagt er und lacht. 1987 begann er die Polizeischule und arbeitete danach in Herisau in den verschiedenen Abteilungen. «Ich habe auch für ein halbes Jahr bei der Staatsanwaltschaft gearbeitet und danach für sechs Jahre als Disponent bei der kantonalen Notrufzentrale», so Helg. Seit dem Jahr 2000 ist er beim kriminaltechnischen Dienst der Kripo – zuerst als Sachbearbeiter, seit 2017 als Dienstchef der Abteilung. «Ich bin so detailverliebt, daher bin ich genau am richtigen Ort», meint Helg. Denkt man an den kriminaltechnischen Dienst, einfacher gesagt an die Spurensicherung, haben viele die Bilder aus dem Fernsehen im Kopf. Seit Serien wie CSI, in denen die Kriminaltechnik eine Hauptrolle spielt, ist diese ins Rampenlicht gerückt. «Wenn heute ein Einbrecher keine Handschuhe trägt, hat er noch nie ferngesehen», meint Helg und schmunzelt.
Natürlich gibt es nebst Fingerabdrücken und seit der DNA-Analyse viele weitere Spuren, die ein Mensch hinterlassen kann: Hautschuppen, Haare, Speichel und Blut. «Die Auswertung dieser ist natürlich wesentlich aufwendiger und teurer als einen Fingerabdruck zu vergleichen», sagt Helg. Im hauseigenen Labor wird vieles selbst analysiert, DNA wird allerdings extern im Institut für Rechtsmedizin ausgewertet.
Der kriminaltechnische Dienst führt die Spurensicherung an Tatorten und an Personen durch. Ebenso wichtig ist die Erkennungsdienstliche Behandlung, um die Datenbank mit Vergleichsproben füllen zu können und um Spuren abgleichen zu können. Die Spurensicherung findet bei sehr vielen Delikten statt. Vom Tötungsdelikt, Suizid über Unfälle, Einbrüche, Gewalttaten bis hin zu Sachbeschädigung kommen Helg und sein Team zum Einsatz.«Überall, wo es Spuren gibt oder zu erwarten sind, tauchen wir auf.» Sechs Personen arbeiten im kriminaltechnischen Dienst der Ausserrhoder Kriminalpolizei. Grundsätzlich gehen alle denselben Aufgaben nach, es gibt aber Fachbereichsverantwortungen – diverse Spurenbereiche werden je einem Mitarbeiter zugeteilt, da sie Weiterbildungen, Tagungen und Schulungen dazu besuchen. «So sind alle stets auf dem neusten Stand», meint Helg.
Durchschnittlich bearbeitet der kriminaltechnische Dienst pro Jahr rund 380 Fälle. «Die Arbeit wird kontinuierlich mehr, nicht aber wegen steigender Deliktzahlen, sondern wegen des steigenden Papierkrams», sagt Helg. Heute dokumentiere man jede Spur kleinlich. Das sei aber auch richtig so. Es muss auch nach Monaten und Jahren klar sein, woher die Spur kommt und wo sie zuzuordnen ist. Der Aufwand sei bei jedem Ausrückort unterschiedlich. Brauche man bei Einbrüchen vielleicht eine Stunde, so benötige man bei Bränden mehrere Tage. Pro Jahr werden zudem rund 130 Proben bei Tatverdächtigen und Beschuldigten genommen.
Auswertungen, die nicht alltäglich sind – wie die DNA-Analyse – werden ausgelagert. Das sind zum Beispiel Stimmproben, Gutachten oder die Auswertung von Schusswaffen. Diese werden in die Ballistik der Kantonspolizei St.Gallen weitergegeben. «Es ergibt wenig Sinn, wenn Spuren, die wir alle zwei Jahre haben, von uns ausgewertet werden, wenn das Know-how andernorts grösser und die Infrastruktur besser ist», sagt Helg. Die Zusammenarbeit mit St.Gallen ist sehr eng. Wenn dort keine personellen Kapazitäten bestehen, werde man weiter nach Zürich vermittelt. «Die Vernetzung schweizweit ermöglicht uns, einen guten Job zu machen», so Helg. Das Vorgehen an Einsatzorten ist für das Team zwar routiniert, Genauigkeit ist aber immer das oberste Gebot – wie auf der charakterlichen Seite die Resistenz. Vor Ort können Spuren mit diversen Methoden gesichert werden. «Wir haben Licht, welches Spuren im Staub oder auf Oberflächen sichtbar machen kann, alles wird fotografiert. Mit Gelatinefolie können wir Abdrücke nehmen.» Hinzu kommen diverse Pulver, die Spuren sichtbar machen. Ganz klassisch kommen die Wattestäbchen bei Blut oder Speichel zum Einsatz. Damit nichts vertauscht wird und der Beweiswert gegeben ist, werden alle Spuren mit einer Nummer versehen, die auf dem Protokoll ebenfalls zu finden ist. Die Sachspuren haben eine hohe Bedeutung, vor allem wenn Beschuldigte vom Recht, nichts sagen zu müssen, Gebrauch machen. «Dann sind die Sachbeweise noch wichtiger. Aber auch sonst können Spuren einen geschilderten Ablauf belegen oder widerlegen», sagt Helg. Und nur weil DNA irgendwo gesichert wird, heisst das nicht, gleich einen Schuldigen gefunden zu haben. «Es kann auch eine Spur von jemandem sein, der zu Besuch war. Deshalb führt eine Spur allein nicht zur Verhaftung. Da geht unsere Arbeit Hand in Hand mit jener der Ermittler.»
Mitarbeitende beim kriminaltechnischen Dienst sehen Tatorte, dessen Bilder sich einbrennen können. Hinzu kommen Gerüche und Emotionen von Leuten, die noch vor Ort sind. «Reden ist das A und O. Alle, die von einem Einsatz kommen, müssen erzählen, was war – so habe ich alle Infos und weiss, wie es den Leuten geht.» Sie würden sehr genau hinschauen, wo andere wegschauen. «Teils ist es in Kombination mit Gerüchen schwer auszuhalten. Aber wir sind die Letzten, die noch einmal für die Verstorbenen sprechen können. Wir geben ihnen noch einmal eine Stimme», so Helg. Wenn man es so sehe, dann hebe man das Positive im negativen Ereignis heraus. «Ich erinnere mich an alles bildlich, verstaue das in meinem Kopf, aber in einzelnen Schubladen. Öffne ich sie, mache ich das sehr bewusst – dennoch ist zentral, dass ich im Beruf aber vor allem im Privaten das Schöne sehe und geniesse», sagt Helg. Über die Arbeit könnte er sicherlich noch lange weitererzählen, so vielfältig wie diese ist. Die Begeisterung ist ihm auch nach all den Jahren im Dienst der Polizei anzumerken.
Stefanie Rohner
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