Kartrin Corazza
veröffentlicht unter dem Künstlernamen Katy O. ihr erstes Soloalbum.
Kurt Weigelt. z.V.g.
«Die Eidgenossenschaft im 21. Jahrhundert – eine alte Idee für eine neue Zeit» ist Titel eines Buches des St.Gallers Kurt Weigelt. Wie kommt der Wirtschafts- und Politexperte, der aufsehenerregende unorthodoxe Ideen veröffentlicht hat, neu dazu ganz auf traditionelle Werte zu setzen?
Staatsverständnis Wer das neueste Buch (Verlag NZZ Libro) des vielseitigen Publizisten liest, macht eine interessante Entdeckung: Das genossenschaftliche Staatsverständnis, das der Schweiz zugrunde liegt, schliesst fortschrittliche Lösungen nicht aus, erfordert jetzt aber auch Korrekturen in der Politik, die sich in vielerlei Hinsicht von der ursprünglichen genossenschaftlichen Ausrichtung wegentwickelt hat. Gleichzeitig muss es gelingen, die institutionellen Besonderheiten der Schweiz auf neue Bedürfnisse einzustellen. Wenn dies vorgenommen wird, hat die Eidgenossenschaft als Staatsidee Zukunft, wie die Überschrift im letzten Kapitel des Buches besagt. Nicht verhandelbar ist aber gemäss Weigelt das genossenschaftliche Staatsverständnis, das auf Solidarität, aber auch auf Eigenverantwortung, auf echte föderalistische Strukturen setzt. Auch die grossen neuen Herausforderungen könnten mit den eidgenössischen Strukturen gut bewältigt werden. Richtigerweise werde heute bei Entscheidungsprozessen eine möglichst umfassende Beteiligung und Zustimmung aller relevanten politischen Akteure angestrebt.
Weigelt betont, dass es in einem der Gleichberechtigung und der Selbsthilfe verpflichteten Gemeinwesen weit mehr Platz für individuelle Freiheiten gibt als in politischen Systemen, die das übergeordnete Kollektiv als Träger der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung verstehen. Aber gemäss dem ehemaligen IHK-Chef muss sich die Gesellschaft von der Vorstellung verabschieden, dass es für alle öffentlichen Probleme eine staatliche und vor allem staatlich finanzierte Lösung gibt. Die Sozialhilfe gewinnt für ihn zwar als zweiter Eckpfeiler des genossenschaftlichen Staatsverständnisses an Bedeutung, doch die Eigenverantwortung darf nicht aufgegeben werden. Staatliche Leistungen, die individuell konsumiert und kollektiv finanziert werden, zögen eine unbegrenzte Nachfrage nach sich. Als Beispiel dazu liefert Weigelt das Opernhaus Zürich. Dort werde für jeden Eintritt der Allgemeinheit 600 Franken in Rechnung gestellt. Er postuliert auch, dass es für jede öffentliche Aufgabe nur einen Kostenträger geben soll. Der Bund bezahlt Nationalstrassen, der Kanton die Kantonsstrassen und die Gemeinden die Gemeindestrassen. So komme es nicht zu einer Vermischung der Kompetenzen und zu einem Vollzugsföderalismus. Hinter der Verlagerung der Kompetenzen nach oben stehe vielfach ein Versagen von unten. Damit schafft sich für Weigelt, der gerne überspitzt formuliert, der Föderalismus selbst ab. Die Vergabe von Subventionen werde von der Bundesversammlung als Druckmittel eingesetzt, um politisch nicht mehrheitsfähige Regelungen durchzusetzen. So spiegelten die meisten Gesetzesprojekte nicht den Gestaltungswillen des Volkes und des Parlaments, sondern die politische Agenda ohne einen Einbezug der Unsicherheiten des privaten Sektors und der wirtschaftlichen Folgen des eigenen Handelns.
Besonders gilt es für den Verfasser, im Bildungswesen Korrekturen anzubringen. Für ihn ermöglicht eine zukunftstaugliche Bildungspolitik eine Vielfalt und verzichtet auf eine staatlich verordnete Gleichheit. Er liefert dazu ein positives Beispiel der Gemeinde Mörschwil, wie er auch in anderem Zusammenhang im Buch immer wieder Bezug auf die Region St.Gallen nimmt. In Mörschwil könnten die Eltern von in die Oberstufe eintretenden Schülerinnen und Schülern eine von fünf Schulen wählen, wobei die Schulgelder voll übernommen werden. Der Versuch, der Verschiedenheit der Kinder mit Einheitlichkeitsparadigmen der integrierten Volksschule gerecht zu werden, führt für Weigelt in eine Sackgasse: «Weit erfolgversprechender ist es, auf die Verschiedenheit der Bedürfnisse der Kinder und ihrer Familien zu reagieren. Im Grundsatz sollte es für jedes Kind ein Angebot geben, das seinen spezifischen Neigungen entspricht. Eine zukunftsgerichtete Bildungspolitik ermöglicht eine Vielfalt und verzichtet auf staatlich verordnete Gleichheit.» Dabei verweist Weigelt auch auf seinen Vorschlag beim früheren Wirken an der Spitze der IHK für die Einführung einer nachlaufenden Studiengebühr. Wieder etwas pointiert formuliert geht es nach ihm heute vielfach «vom Gebärsaal in den Hörsaal und vom Hörsaal direkt in den Ratsaal»: «Auf der Strecke bleibt die für das Milizsystem prägende Verzahnung mit der Lebenswirklichkeit der erwerbstätigen Bevölkerung und der Austausch mit Menschen ausserhalb der eigenen Echokammer.»
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