Ute Latuski
Spirituelle Begleitung darf bei ganzheitlicher Betreuung nicht fehlen.
Dax Natoli ist seit 14 Jahren Tätowierer in St.Gallen.
Tattoos sind heute nicht mehr verpönt wie früher, sondern weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert. Auch St.Galler Arbeitgebende sind diesbezüglich toleranter geworden. An welcher Stelle und welches Motiv man sich tätowieren lässt, ist aber nach wie vor relevant.
Gesellschaft Tattoos liegen schon seit Jahren im Trend. Die Zeiten, in denen Eltern sagten, «lass dich ja nicht tätowieren, sonst findest du nie einen guten Job», sind vorbei. Ob Polizistinnen, Lehrpersonen oder auch Ärzte – Menschen mit Tattoos sind heute in allen Berufsgruppen vertreten. Dies bestätigen die Tattoo Artists des St.Galler Tattoo Studios «Noble Blood». Dax Natoli, Simon Schwinger und Etienne Geyer führen ihr Studio in der Stadt St.Gallen seit 2014 – seit sechs Jahren unter dem Namen Noble Blood. Den Trend hin zu mehr Akzeptanz gegenüber tätowierten Menschen haben auch sie beobachtet. «Vor fünf bis zehn Jahren haben sich die Leute noch deutlich häufiger nach tätowierten Menschen umgedreht als heute. Früher dachten die Leute noch, stark Tätowierte seien ‘Knastis’, Drogensüchtige oder Rocker. Es war lange Zeit stigmatisiert. Heute ist das definitiv nicht mehr so», so Schwinger. Dass sich immer mehr Menschen tätowieren lassen, merken die Tattoo Artists von «Noble Blood» nicht nur an ihrer eigenen Kundschaft und der Anzahl an Tätowierten, die man auf der Strasse sieht, sondern auch an der Anzahl der Tattoo Studios, die in St.Gallen in den vergangenen Jahren eröffnet haben. Gerade in den letzten drei Jahren seien neue Studios wie Pilze aus dem Boden geschossen.
«Ich bin überrascht, wie oft sich vor allem junge Menschen heute grossflächig tätowieren lassen. Manchmal haben Kunden erst eins bis zwei kleine Tattoos und wollen sich als nächstes gleich den ganzen Unterarm tätowieren lassen. Das ist ein grosser Schritt, den man sich besser gut überlegen sollte», so Natoli. Gerade bei jungen Menschen, die gerade erst in das Berufsleben einsteigen, ist Vorsicht geboten. Denn obschon Tattoos in allen Branchen heute grundsätzlich erlaubt sind, gibt es gewisse Tattoos, die je nach Beruf auch heute noch ein Nachteil sein können – so zum Beispiel bei der Polizei. «Tätowierungen und Piercings sind bei der Kantonspolizei grundsätzlich erlaubt. Jedoch tolerieren wir keine Tätowierungen im Gesicht, am Hals oder Händen oder sichtbare Tätowierungen mit anstössigen oder politischen Sujets. Zudem sind grossflächige, sichtbare Tätowierungen nicht erwünscht», so Hanspeter Krüsi, Leiter Kommunikation bei der Kantonspolizei St.Gallen. Ähnlich sieht das bei der Stadtpolizei aus. Unzulässig seien auch dort einzig Tätowierungen mit rassistischen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Motiven. Zudem sind sichtbare Piercings und ähnlicher Körperschmuck insbesondere aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Sowohl die Kantons- als auch die Stadtpolizei geben an, dass Tattoos, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, auch bei einem Bewerbungsgespräch ein Nachteil sein können. Beide Stellen betonen aber auch, dass die Akzeptanz gegenüber Tätowierungen in den vergangenen Jahren gestiegen ist. «Früher hatte die Gesellschaft ein anderes Bild gegenüber Tattoos, weshalb strengere Vorgaben galten. So mussten beispielsweise Tattoos an den Armen abgedeckt werden. Die Haltung gegenüber Tattoos hat sich in der Gesellschaft gewandelt, weshalb auch bei der Polizei diesbezüglich Anpassungen erfolgt sind», so Dionys Widmer, stellvertretender Leiter Kommunikation der Stadtpolizei St.Gallen.
Auch Banken und Versicherungen sind in den vergangenen Jahren toleranter geworden. Sowohl die UBS als auch die St.Galler Kantonalbank (SGKB) geben an, dass intern diesbezüglich keine Regelungen bestehen. Bei Mitarbeitenden mit Kundenkontakt werde allerdings Wert auf eine gepflegte Erscheinung gelegt. Was dies in Bezug auf Tattoos und Piercings konkret bedeutet, wollten die SGKB und die UBS nicht beantworten. Beide merken aber an, dass sich die Frage, ob ein Tattoo erlaubt ist oder nicht, praktisch nie stelle. Die SGKB schreibt dazu: «Die meisten Tattoos sind durch langärmelige Kleidung gar nicht sichtbar und auffällige Piercings lassen sich herausnehmen, entsprechend selten ist das ein Thema.» Auch die Raiffeisen Bank hat diesbezüglich keine konkreten Regeln. Joël Grandchamp, Mediensprecher der Raiffeisen Bank Schweiz, sagt jedoch: «In der Tendenz ist die Toleranz und Offenheit gegenüber Tätowierungen und Piercings im Verlauf der vergangenen zehn Jahre bei Raiffeisen Schweiz gestiegen.» Versicherungen pflegen einen ähnlichen Umgang mit tätowierten Mitarbeitenden. Tattoos und Piercing sind sowohl bei der Mobiliar Versicherungsgesellschaft als auch bei der Swica Gesundheitsorganisation grundsätzlich erlaubt, Wert auf ein gepflegtes Äusseres legen aber auch sie. Gian Bazzi, Generalagent der Mobiliar St.Gallen, meint dazu: «Bei Mitarbeitenden mit direktem Kundenkontakt fände ich grosse, auffällige Tattoos im Gesicht unangemessen. Bisher hat sich diese Frage aber nie gestellt.» Auch bei den Helvetia Versicherungen pflegt man einen offenen Umgang mit Körperschmuck. Rebecca Blum, Kommunikationsverantwortliche bei den Helvetia Versicherungen, sagt: «Helvetia respektiert und fördert Vielfalt und die Einzigartigkeit ihrer Mitarbeitenden. Generell wird es in vielen Bereichen immer lockerer, was Kleidung und Körperschmuck betrifft – auch im Finanzsektor. In Bezug auf Helvetia speziell haben wir in der vorletzten Ausgabe unseres internen Mitarbeitenden Magazins sogar interne Personen mit Tattoos abgebildet.»
Auch im Detailhandel sind Tattoos und Piercing grundsätzlich kein Problem – solange man sich an gewisse Regeln hält. «Der Auftritt gegenüber unseren Kundinnen und Kunden soll möglichst neutral erscheinen. Daher ist von auffälligen Piercings im Gesicht oder prägnanten, farbigen Tattoos abzusehen. Feine Nasensticker sind beispielsweise erlaubt», sagt Thomas Ditzler, Mediensprecher bei Coop, und fügt an, «viele Mitarbeitende von Coop haben Tattoos und Piercings. Die Toleranz gegenüber Tattoos und Piercings ist in den letzten Jahren gestiegen.» Auch die Migros teil mit, dass die Toleranz diesbezüglich höher ist als noch vor zehn Jahren, doch seien potenziell anstössige Tattoos während der Arbeitszeit zu überdecken und auffällige Piercings abzunehmen. Auch in der Gastronomie sind Tattoos heute weit verbreitet und sogar in der gehobenen Hotellerie besteht kein grundsätzliches Verbot von Tattoos. Das Hotel Einstein in St.Gallen schreibt dazu: «Tattoos sind bei uns erlaubt, jedoch sind sie in Berufen mit viel Gästekontakt nach wie vor nicht gerne gesehen. Die Mitarbeitenden werden gebeten, diese mit Kleidungsstücken – zum Beispiel mit langen Ärmeln – zu verstecken.» Auch Angestellten der Stadtverwaltung steht es frei, sich tätowieren zu lassen. Einzig das Tragen von sexistischen, rassistischen oder gewaltverherrlichenden Motiven auf Tattoos oder Kleidungsstücken ist untersagt. «Was die Toleranz der einzelnen Mitarbeitenden und Führungspersonen angeht, kann ich keine pauschale Aussage machen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Toleranz wie auch in der Breite der Gesellschaft gestiegen ist. Einschränkende Vorschriften für einzelne Berufsgruppen liegen weit zurück», sagt Irene Züblin von den Personaldiensten der Stadt St.Gallen. Auch Lehrpersonen in der Stadt St.Gallen müssen sich diesbezüglich keine Sorgen machen. So gebe es in der Stadt St.Gallen auch Lehrpersonen, die Tattoos an den Händen oder am Hals trügen. Martin Annen, Dienststellenleiter Schule und Musik der Stadt St.Gallen, betont allerdings: «Ich würde Lehrpersonen grundsätzlich zu Zurückhaltung raten. Tattoos im Gesicht und übermässige Gesichtspiercings beurteile ich als problematisch im Kontext von Schule und Tagesbetreuung.» Zudem hätten Kinder und Jugendliche den Anspruch auf psychische und physische Unversehrtheit. Dementsprechend dürfe Körperschmuck von Erwachsenen, welche Umgang mit Kindern und Jugendlichen hätten, nicht grenzverletzend sein.
Tattoos werden heute nur noch von den wenigsten mit negativen Eigenschaften oder Kriminalität in Verbindung gebracht. Es wird mittlerweile hauptsächlich als Kunstform angesehen. «Die meisten Leute lassen sich ein Tattoo stechen, weil sie ein Motiv besonders schön finden oder weil sie damit ihre Persönlichkeit zeigen wollen. Ich finde es gut, dass man heute seine Persönlichkeit auch am Arbeitsplatz mehr ausleben darf», sagt Tattoo Artist Dax Natoli. Trotzdem sollte man sich immer noch Gedanken darüber machen, wo und vor allem welche Motive man sich stechen lässt. Bei Leuten, die noch nicht viele Tattoos haben, rät Natoli zur Vorsicht, gerade bei Tattoos im Gesicht oder besonders grossen Motiven. «Ich rate jedem, der sich tätowieren lassen will, sich das vorher gründlich zu überlegen. Als Jugendlicher wollte ich zum Beispiel unbedingt ein Sensenmann-Tattoo. Einige Jahre später, als ich 18 Jahre alt wurde, wollte ich das aber schon nicht mehr. Heute bin ich heilfroh, dass ich das damals nicht gemacht habe», so Natoli.
Selim Jung
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